Handel braucht Wandel
Mit den Einkaufsgewohnheiten haben sich in den vergangenen Jahren auch die Anforderungen an stationäre Handelsflächen enorm verändert. Wichtige Treiber sind der demographische Wandel, die fortschreitende Urbanisierung, gewandelte Kundenwünsche und der Wettbewerb mit dem Online-Handel.
Hinzu kommen lokale Aspekte: Infrastrukturelle Anforderungen und kommunale Auflagen gewinnen zunehmend Einfluss auf die Entwicklungs- und Zukunftsfähigkeit einzelner Handelsstandorte. Verfügbare Flächen und die Lage sind entscheidend.
Flächenbedarf
Der Wandel schreitet voran. Niedrige Regalhöhen für barrierearmes Einkaufen und breitere Gänge für eine effiziente Filial-Logistik sind mittlerweile ebenso Standard wie ein nachhaltiges Ladendesign, das den Fokus auf saisonale und regionale Lebensmittel sowie Bio-Produkte legt. Da hierzu entsprechende Flächen benötigt werden, lässt sich eine zeitgemäße Nahversorgung auf Geschossflächen bis 1.100 m² bzw. Verkaufsflächen bis 800 m² nicht mehr realisieren.
Um den stationären Handel und die flächendeckende Nahversorgung dauerhaft zu sichern, möchten wir unsere Standorte zukunftsfähig weiterentwickeln. Für Neubauten oder Erweiterungen bestehender Filialen streben wir eine Geschossfläche von rund 1.600 Quadratmetern bzw. eine Verkaufsflächengröße von rund 1.100 Quadratmetern an.
Dieser Rahmen bietet uns Raum für einen zeitgemäßen Einzelhandel sowie die Möglichkeit, unsere Standorte baulich und energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. Wichtig: Die Verkaufsflächenerweiterung dient nicht dazu, das Sortiment zu vergrößern.
Je besser ein Filialstandort kommunalen Ansprüchen und lokalen Kundenbedürfnissen entspricht, desto größer sind infrastruktureller Mehrwert und wirtschaftlicher Erfolg. Entscheidend ist, inwiefern rechtliche Rahmenbedingungen eine Ausbalancierung von Anforderung und Angebot unterstützen oder erschweren.
In diesem Zusammenhang bedeuten die Festsetzungen zum großflächigen (Lebensmittel-)Einzelhandel im Rahmen der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und zur Landesplanung regelmäßig eine Herausforderung. Vor allem der für den Lebensmitteleinzelhandel relevante Atypiknachweis erweist sich in der Praxis immer wieder als Hemmnis, da Unklarheit bezüglich einer rechtssicheren Anwendung dieses Ermessensspielraums herrscht.
Die bestehende Unsicherheit ließe sich durch eine rechtssichere und eindeutige Atypik-Regelung für den Lebensmitteleinzelhandel innerhalb der Baunutzungsverordnung beheben: Es sollte klargestellt werden, dass Geschossflächen von mehr als 1.200 Quadratmetern nicht generell negative Auswirkungen auf den bestehenden Handel haben. Ein nahversorgungsrelevantes Kernsortiment bildet ein Kriterium für das Nichtvorliegen einer negativen Auswirkung.
Dieses Verständnis würde gleichermaßen unternehmerischen Interessen sowie auch einer nachhaltigen Raumentwicklung zugutekommen. Darüber hinaus ließe sich so für Unternehmen sowie für Behörden in Kommunen und Landkreisen die erforderliche Klarheit schaffen und damit die gewünschte Sicherheit bieten.
Versorgungsbereiche
Aktuell konzentriert sich die Ansiedlung und Erweiterung von großflächigem Einzelhandel – inklusive Lebensmitteleinzelhandel – aus kommunaler Sicht auf Lagen innerhalb zentraler Versorgungsbereiche. Das sind im Wesentlichen Innenstädte sowie Stadt- und Stadtteilzentren. Angelehnt am Landesentwicklungsprogramm haben Kommunen für diese Bereiche eigene Einzelhandelskonzepte entwickelt und damit zentrale Versorgungsbereiche mit bestimmten Nutzungsarten und Sortimentsbegrenzungen starr definiert.
Die teilweise Jahrzehnte alten Bestimmungen erschweren heute die Baurechtschaffung für zeitgemäße Handelsflächen. Zudem ist die Flächenverfügbarkeit für neue Ansiedlungen, Erweiterungen oder Modernisierungen innerhalb der ausgewiesenen Lagen stark begrenzt.
Die meisten Menschen wohnen außerhalb zentraler Versorgungsbereiche, und dort ist auch der Großteil unserer Filialen angesiedelt. Diese Standorte lassen sich jedoch nicht oder nur in sehr aufwendigen Genehmigungsverfahren zukunftsgerecht gestalten, weil die dafür erforderlichen Flächen nur in zentralen Versorgungsbereichen vorgesehen sind. Das schränkt Entwicklungs- und Modernisierungsmöglichkeiten stark ein.
Das Landesentwicklungsprogramm 5 in Rheinland-Pfalz bietet die Chance, eine sichere Planungsgrundlage für die Nahversorgung der Zukunft zu schaffen. Diese zeichnet sich insbesondere durch eine Nähe zu den Kunden und deren täglichen Routinen aus. Wo Filialen für möglichst viele Menschen einfach, ohne Umwege oder sogar fußläufig erreichbar sind, lassen sich Zeit und wertvolle Ressourcen sparen.
Räume pragmatisch nutzen
Deshalb sollten neben zentralen Versorgungsbereichen und deren Randlagen auch städtebaulich integrierte Lagen für den großflächigen Lebensmitteleinzelhandel nutzbar sein, wenn sie eine enge räumliche und funktionale Verbindung zu Siedlungsbereichen aufweisen. Bayern und Hessen praktizieren dies bereits: In städtebaulich integrierten Lagen mit entsprechender Raumverträglichkeit erlauben die Landesplanungen Verkaufsflächen bis zu 1.200 Quadratmetern für Waren des Nahversorgungsbedarfs.
Das Landesentwicklungsprogramm 5 könnte so den Weg zu einem Update kommunaler Einzelhandelskonzepte bereiten, das
- Anforderungen des Strukturwandels im Einzelhandel berücksichtigt,
- eine flexible und standortspezifische Gestaltung ermöglicht,
- eine verbrauchernahe, dezentrale Nahversorgung nachhaltig sichert.
Ländliche Regionen
Eine gute Erreichbarkeit ist einer der wichtigsten Indikatoren für eine funktionierende Nahversorgung. Bundesweit ist für rund drei Viertel der Bevölkerung der nächste Lebensmitteleinzelhandel durchschnittlich rund 1.000 Meter entfernt. In Rheinland-Pfalz trifft dies allerdings nur auf rund 60 Prozent der Menschen zu, in einigen Landkreisen sogar nur auf ein Drittel der Bevölkerung (siehe Angaben des BBSR). Die demographische Entwicklung und der anhaltende Zuzug in urbane Lagen führen dazu, dass sich eine funktionierende und wirtschaftlich tragfähige Nahversorgung in ländlichen, dünn besiedelten Gebieten nur begrenzt umsetzen lässt.
Die Landesplanung greift diese Entwicklung bereits auf. Sie sieht Ausnahmeregelungen zur Genehmigung von Verkaufsflächen bis zu 1.600 Quadratmetern vor, wenn sie zur Sicherung der Grundversorgung in Gemeinden mit über 3.000 Einwohnern ohne zentralörtliche Funktion beitragen. Diesem Schritt müssen jedoch weitere folgen, damit moderne Nahversorgungskonzepte in einem entsprechenden Einzugsgebiet wirtschaftlich, verbrauchernah und mit einer guten Erreichbarkeit umgesetzt werden können.
Eine zeitgemäße Nahversorgung mit guter Erreichbarkeit lässt sich auch in ländlichen Regionen sicherstellen. Vielversprechend ist die Schaffung verkehrsgünstig gelegener und raumplanerisch abgestimmter Knotenpunkte, die Ansiedlungsmöglichkeiten für Nahversorgung bieten. Ihre Einrichtung bündelt zudem Verkehrsströme und stärkt den ländlichen Raum.
One-Stop-Shopping
Mit weiteren Komplementäransiedlungen wie Metzgern, Bäckern, Cafés und Drogeriemärkten wird eine multifunktionale Nahversorgung und ein zusätzlicher Mehrwert für die Bevölkerung geschaffen. So lassen sich Einkäufe und alltägliche Besorgungen an nur einem Standort zeit-, weg- und ressourcensparend erledigen (One-Stop-Shopping). Unsere bundesweit bereits über 550 Stationen umfassende und weiterhin wachsende Ladeinfrastruktur stärkt zudem eine nachhaltige Mobilität am Standort. Mit interkommunalen Konzepten profitieren alle beteiligten Kommunen an der Ansiedlung und der verbesserten Versorgung im ländlichen Raum.